Spitzenkandidat Hendrik Schmehl: Die SPD muss stärkste Kraft im Rathaus bleiben.
Ein Portrait von Manfred Gerber.
Dass er später mal am Leibniz-Gymnasium das Abitur machen, studieren und schließlich als Historiker promovieren würde, war dem Kohlhecker Bub nicht gerade in die Wiege gelegt. Seine Mutter hat ihn – entgegen der Realschulempfehlung – am Gymnasium angemeldet. Aufgrund seiner Kindheit (seine Mutter war mit drei Kindern alleinerziehend) weiß der 36-jährige SPD-Spitzenkandidat zur Kommunalwahl, was es bedeutet, wenn am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig ist. Deshalb lässt ihm auch keine Ruhe, dass in Wiesbaden jedes vierte Kind von Armut bedroht ist.
Naheliegend war für Hendrik Schmehl eher, dass er den Weg in die SPD finden würde. Schon in der Oberstufe hat er sich den Ruf als „rote Socke“ erworben. Bald war er Wiesbadener Juso-Vorsitzender, Stadtverordneter, in der SPD-Fraktion Sprecher für Schule und Kultur, hatte sich längst einen Namen als Redner mit analytischer Begabung gemacht. Im Juni 2019 folgte er Nadine Ruf im Vorsitz der SPD-Stadtverordnetenfraktion, der stärksten Fraktion im Rathaus. Seither sitzt er an einem der Schalthebel im Getriebe der Rathaus-Kooperation mit der CDU und den Grünen. Seit August 2019 ist er auch Fraktionsgeschäftsführer. Dass er einen guten Draht zu Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende hat, erleichtert manches. Beide agieren lieber moderat und führen die Dinge zusammen.
Soziale Spaltung überwinden
Hendrik Schmehl weiß, wie schwer es ist, die Stadt mit ihren segmentierten Milieus zusammenzuhalten. Dafür brauche es eine starke Sozialdemokratie, die unter dem Slogan „Zusammen sind wir Wiesbaden“ in den Wahlkampf zieht. Bezahlbarer Wohnraum steht an der Spitze der Agenda. Eines der Mittel: die Konzeptvergabe. Will heißen: Ein städtisches Grundstück wird als Bauland nicht länger an den Meistbietenden, sondern an den Investor verkauft, der den sozialeren Plan vorweist. Hinzu kommen: die Mietpreisbremse und die Forderung nach einer Erhaltungssatzung, mit der das Verdrängen von Mietern verhindert werden soll. Hier sieht Hendrik Schmehl SPD-Sozialdezernent Christoph Manjura am Anpacken, auch gegen Widerstände aus der CDU.
Schmehl ist klar: Kommunalpolitik allein kann keine sozialen Unterschiede gänzlich aufheben, dafür liegen die Ursachen oft zu tief. Aber hier und da kann sie durch begleitende Hilfen und viele kleine und auch größere Stellschrauben gegensteuern, durch Schulsozialarbeit, durch Förderquoten im sozialen Wohnungsbau, mit denen die Viertel besser durchmischt werden. Zur sozialdemokratischen Kommunalpolitik gehört laut Schmehl auch eine Stärkung der Integrierten Gesamtschulen. Denn auch längeres gemeinsames Lernen trägt zum sozialen Ausgleich bei. An der Wilhelm-Leuschner-Schule in Kostheim möchte er die Oberstufe wieder einführen. Dass die Grünen im Land schulpolitisch fast nichts geliefert haben, stößt Schmehl bitter auf.
In Wiesbaden fest verwurzelt
Sein Studium in Mainz (Mittlere und Neuere Geschichte, Politikwissenschaft und Öffentliches Recht) hat Hendrik Schmehl mit einer Doktorarbeit über „Die Kurstadt Wiesbaden im Ersten Weltkrieg“ bei Sönke Neitzel in Potsdam gekrönt. In die höheren Elfenbeintürme des Uni-Betriebs hat es den Stipendiaten der Friedrich-Ebert-Stiftung allerdings nie gelockt. Hendrik Schmehl liebt es bodenständig, ist fest in seiner Heimatstadt Wiesbaden verwurzelt. Seinen Zivildienst hat er als „Mädchen für alles“ in der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde auf dem Kohlheck gemacht. Er liebt die Geselligkeit im Kreis von Freunden und seiner Familie. Im Rheingauviertel, wo er mit seiner Frau und der dreijährigen Tochter wohnt, ist der Weg nicht weit zu seinen beiden Schwestern und zu seiner Mutter. Er freut sich immer, wenn sie sich spontan treffen. Umso schwerer wiegt die Corona-Pandemie.
Sein Hobby hat der Vollblutpolitiker Hendrik Schmehl längst zum Beruf gemacht. Bei all seinen vielen Terminen – unter anderem mischt er auch im Ortsbeirat Rheingauviertel/Hollerborn mit – hätte er manchmal gerne mehr Zeit für seine Familie und ein gutes Buch. Gerne auch mal ohne Bezug zur Politik.